Schulgeschichte

Schule mit Tradition – Schule mit Geschichte
Die Geschichte des heutigen Engelbert-Kaempfer-Gymnasiums Lemgo

13. Jahrhundert: Erstmalige Erwähnung einer Schule (später: Lateinschule) an der Lemgoer Kirche St. Nicolai.

14. Jahrhundert: Die Schule wird mehrfach reformiert und ausgebaut.

15. Jahrhundert: Zahlreiche Lemgoer Schüler wechseln an bekannte Universitäten der Zeit wie etwa Erfurt. Die Schule hat einen guten Ruf an vielen nord- und ostdeutschen Universitäten.

Bernhard Copius
Bernhard Copius

1559: Zu Ostern erfolgt die Berufung des Theologen Bernhard Copius aus Dortmund an die Lemgoer Schule. Noch im selben Jahr verfasst dieser ein modernes Schulprogramm für ein voll ausgebautes siebenjähriges Gymnasium, also mitsamt eines zeitgenössischen zweijährigen Grundstudiums (Fundort: Bibliothek Wolfenbüttel). Die Schule entwickelt sich zu einer schola celebris, einer überregional bedeutenden Schulanstalt, die auch über zahlreiche auswärtige Studenten verfügt. Es kommt auch zu einer räumlichen Erweiterung der Schule. Aufgrund dieser bedeutenden Entwicklungen wird das Jahr 1559 seit 2008 als eigentliches Gründungsjahr des Gymnasiums verstanden. Copius selbst verlässt bereits 1566 Lemgo und das Gymnasium, da er als Calvinist in einen Streit mit der lutherischen Opposition um den Pfarrer Hamelmann geriet und einen Ruf der Universität Marburg erhalten hatte.

1583: Dank großzügiger Spenden des bildungsbewussten Grafen Simon VI. kann das Gymnasium in die Süsternhauskapelle umziehen. In der Folge erlebt das Gymnasium ab 1588 unter dem neuen Schulleiter Lazarus Schöner eine weitere Blütezeit. Nach der Verabschiedung einer streng lutherischen Schulordnung durch den Rat der Stadt Lemgo muss der Calvinist Schöner die Schule 1593 verlassen. Seit 1605 trägt die Schule den Namen Gymnasium Lemgoviensium. Da nicht nur Schöner, sondern auch Graf Simon zum reformierten Glauben tendiert, lässt dieser 1602 in Detmold ein weiteres diesmal fürstliches und nicht mehr städtisches Gymnasium gründen (heute: Leopoldinum). Nach einem politisch-religiös motivierten Konflikt zwischen dem Graf und der Hansestadt Lemgo entzieht dieser 1609 dem Gymnasium jegliche finanzielle Unterstützung. Die zunehmend überschuldete Hansestadt kann die Schule dauerhaft nicht alleine tragen. Finanzielle Probleme und die Ausweisung der reformierten Lehrer und Studenten unter Rektor Gisevenius (ab 1610) sorgen schon bald für eine negative Entwicklung. Es beginnt eine lange Phase des Niedergangs, die durch den 30jährigen Krieg verstärkt wird. In den 1660er Jahren besucht Engelbert Kaempfer die Schule.

1749-1757: Die Bildungskrise des Absolutismus wird in Lemgo nur unterbrochen durch die Amtszeit des Rektors Christian Friedrich Helwing, der als gerade einmal 24jähriger zum Schulleiter ernannt wird. Es ist symptomatisch, dass Helwing nach seiner Hochzeit das Amt des Direktors niederlegt und wegen monetärer Anreize sowie aus Gründen des Prestiges die Meyersche Buchhandlung wie auch das Amt des Bürgermeisters übernimmt. Da das Detmolder Gymnasiums ebenfalls eine Krise durchlebt, die Lemgoer Schule jedoch noch immer die bekanntere und angesehenere ist, versucht die Fürstliche Regierung dreimal zwischen 1783 und 1805 das städtische Gymnasium Lemgo zu übernehmen und beide Schulen am Lemgoer Standort zu vereinen. Doch können sich Stadt und Fürstenhaus nicht über finanzielle und organisatorische Fragen einigen.

1819: Nach einem Streit mit dem Rat und der Lemgoer Bürgerschaft verlässt der überregional hochangesehene Rektor Johann Friedrich Reinert die Schule Richtung Soest. Fast alle auswärtigen Schüler folgen ihm. Obwohl 1829 das erste moderne Abiturexamen nach preußischen Vorbild erfolgt, erlebt die Schule eine schwere Krise. Mehrmals besitzt das Gymnasium keinen einzigen Abiturienten. Mit Ausnahme des Rektors Carl Brandes (1830-1868), der 1838 das Turnen am Gymnasium einführt, verlassen fast alle Direktoren die Schule vorzeitig, um zumeist in Detmold oder Herford besser bezahlte und angesehene Posten anzunehmen. Seit 1862 wird die Schließung oder zumindest die Umwandlung in ein Progymnasium ausschließlich für jüngere Schüler ohne Möglichkeit des Abiturs diskutiert. Unter dem jungen Schulleiter Bernhard Steusloff (seit 1869/70) steigen die Schülerzahlen jedoch wieder deutlich an. 1872/73 wird das Land Lippe zweiter Schulträger und stellt der Schule das heutige Gebäude des Lippe Hofs zur Verfügung. 1883 feiert die Schule auf Initiative des Stadtarchivars und Gymnasiallehrers Schacht den Umzug ins Süsternhaus 1583 als 300-Jahrfeier, da ältere Quellen noch nicht bekannt waren. 1889 erfolgt die endgültige Verstaatlichung, die Schule wird offiziell Fürstliches Gymnasium.

1914: In die Amtszeit des Schulleiters Hermann Schurig (1911-1927) fällt 1914 der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Vier Lehrer und 22 Schüler treten noch 1914 als Freiwillige ins Heer ein. Von den sieben Osterabiturienten 1914 erleiden alle sechs wehrdiensttauglichen Abiturienten bis Anfang 1915 schwere und schwerste Verwundungen. Insgesamt sterben 18 Schüler in diesem Krieg.

1919: Nach der Machtübernahme durch die Sozialdemokraten in Lippe beginnen zahlreiche Schulreformdebatten. Die Einheitsschule wird abgewendet, bis 1924 beschließt das Land Lippe entsprechend nationaler Absprachen jedoch zahlreiche Reformen. Die dreijährige gymnasiale Vorschule wird in die vierjährige Grundstufe der Volksschule integriert. Das Gymnasium ist nun neunjährig. Das altsprachliche Lemgoer Gymnasium unterrichtet seit 1920 englisch statt hebräisch, wird 1924 in ein Realgymnasium und 1927 in ein Reform-Real-Gymnasium umgewandelt, sodass verstärkt Naturwissenschaften, vor allem aber moderne Fremdsprachen (Englisch, Französisch, nicht jedoch das von Teilen der Bürgerschaft favorisierte Spanisch) unterrichtet werden. Diese Debatte sowie die konservativ-antirepublikanische Einstellung vieler Lehrer lösen den Ersten Lemgoer Schulstreit 1923/24 aus. Die Umwandlung der Schule erfolgt durch Sozialdemokraten und Liberale und mit Unterstützung der Eltern aus den umliegenden lippischen Gemeinden, jedoch gegen den Widerstand des konservativen Lemgoer Stadtbürgertums und Direktor Schurigs. Dieser wird 1925 nach einer umstrittenen Rede vor Jungturnern am Detmolder Hermannsdenkmal von Teilen der Presse des Revanchismus, der Kriegstreiberei und der anti-französischen Hetze beschuldigt.

Dr. Ulrich Walter
Dr. Ulrich Walter

1927: Mit Dr. Ulrich Walter wird erstmals ein Sozialdemokrat Schulleiter. Schon vor seinem Amtsantritt kommt es zu Protesten des konservativen Bürgertums und der Lippischen Landeskirche. Nach seiner Berufung zum Lippischen Schulrat eskaliert 1929 der Zweite Lemgoer Schulstreit bei dem es vornehmlich um politisch-religiöse Fragen geht. Von zahlreichen Diffamierungen und Verleumdungen geschwächt, erleidet Walter einen Zusammenbruch, gibt sein Amt als Schulrat auf, jedoch scheitert sein Versetzungswunsch an eine Oberrealschule nach Kassel.

1933: Bereits Mitte März wird Dr. Walter von der neuen nationalsozialistisch-evangelisch-nationalkonservativen Landesregierung in Detmold suspendiert. Die Wunden des Schulstreits von 1929 sind so tief, dass die Landesregierung Walter nicht nur degradiert oder versetzt, sondern 1934 endgültig ohne Bezüge entlässt. Walter überlebt den NS als Schulleiter an einer privaten Mittelschule bei Hameln.

Die Schulleitung wie auch die Organisation der 350-Jahrfeier übernimmt sein bisheriger Stellvertreter, der Altphilologe Dr. Weißbrodt. Dessen Versuch, der Schule den Namen Adolf-Hitler-Schule zu geben, scheitert ebenso am Widerstand der NSDAP, wie seine Bestrebungen einer Rückumwandlungen der Schule in ein altsprachliches Gymnasium.

Im Oktober übernimmt mit erst 36 Jahren Dr. Max Hobinder, ein Nationalsozialist aus dem Rheinland, die Schulleitung.

1935: Es kommt zu zahlreichen Streitigkeiten, Klagen und Disziplinarverfahren um Noten und die Anrechnung von HJ-Dienstzeiten. Nahezu alle involvierten Beteiligten (Schulleiter, Lehrer, Eltern, Schüler) sind Mitglieder der NSDAP. Da einer der Schüler mit dem Lippischen NS-Reichstagsabgeordneten und Gauleiter Steinecke verwandt und dem Detmolder Oberschulrat bekannt ist, ermittelt zeitweise die Gestapo. Auf Seiten der Lehrer und der Schulleitung interveniert der Gauleiter von Koblenz. Nach langem Streit lassen sich 1937 Hobinder und weitere nicht-lippische Kollegen versetzen.

1937: Neuer Schulleiter wird der Germanenforscher Dr. Beyer, der zuvor als Assistent Wilhelm Teudts die Forschungen der SS an den Externsteinen begleitet hatte. Im Rahmen des deutsch-japanischen Bündnisses initiiert Studienrat Dr. Meier die Kämpfer-Ehrungen, des Lemgoer Japanforschers Engelbert Kaempfer (1651-1716). Das Gymnasium wird daraufhin 1938 in Engelbert-Kämpfer-(Ober-)Schule umbenannt. Nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, vor allem aber seit 1943 werden immer mehr Schüler und Lehrer eingezogen. Viele Schüler sterben. 1945 inhaftieren die Alliierten Dr. Beyer, die Säuberung der Schulbücherei von NS-Schriftgut, artet in Vandalismus und Plünderungen aus.

1945: Im Oktober wird die Schule unter schwierigsten Bedingungen wiedereröffnet. Es fehlen Lehrer, Schulbücher und Heizmaterial, kurz darauf kehrt Dr. Walter, bereits Schulleiter bis 1933, in sein Amt zurück. Er kümmert sich mit Hingabe um die älteren Schülerjahrgänge, die 1943-45 als Soldaten im Krieg waren. Ostern 1946 feiert der erste Kriegsjahrgang Abitur. Die Schülerzahlen steigen durch Rückkehrer, Flüchtlinge und Vertriebene stark an. Es herrscht Raumnot und Lehrermangel. Obgleich er selbst 1933 keine Unterstützung aus dem Kollegium erhalten hatte, fördert Dr. Walter die Rückkehr zahlreicher belasteter Lehrer. Gemeinsam mit dem liberalen Verleger Max Staercke und dem jüdischen Holocaustüberlebenden Adolf Sternheim organisiert Walter im Oktober 1948 eine einzigartige Gedenkfeier für die ermordeten und vertriebenen Lippischen Juden in der Aula des Gymnasiums. Seine Rede verweist auf die hohen ethischen Standards und die philosophische Bildung Dr. Walters, der vielen Schülern wegen seiner vornehmen Haltung als ewiger Gentleman in Erinnerung blieb. Er stirbt überraschend mit 61 Jahren zu Weihnachten 1948.

Dr. Werner

1957: Sein Nachfolger Dr. Ernst Werner (1949-1957/58) wird nach einem erbitterten Streit mit großen Teilen des Kollegiums und der Elternschaft über die (Nicht-) Aufarbeitung der jüngeren NS-Vergangenheit kommunistischer Tendenzen bezichtigt, suspendiert und nach Bochum versetzt. Der Konflikt tritt nach außen als sich im Frühjahr 1957 viele ältere Schüler mit Werner solidarisieren. Sein Nachfolger wird Ostern 1959 der ehemalige Nationalsozialist, SS-Offizier und Leiter einer NAPOLA Dr. Wilhelm Kemper (1959-1969) unter dessen Ägide eine Phase der Restauration eingeleitet wird. Die hohe Anzahl an Abschulungen und Nicht-Versetzungen lassen sich in der Phase der Bildungsexpansion jedoch nicht aufrechterhalten. In den Jahren 1965-68 steigen die Schülerzahlen um 50% auf 800 (männliche) Schüler. In der Folge kommt es zu Lehrermangel und Raumnot. Mehrere lehrer- und schulleitungskritische Flugblätter führen Ende 1968 zur Ausrufung des Notstands des Gymnasiums durch Direktor Kemper in der Lippischen Rundschau.

Die Lage entspannt sich, als im Januar 1970 mit Dr. Wolfgang Ulrich ein reformorientierter Sozialdemokrat die Leitung übernimmt. Noch im selben Jahr erfolgt u.a. die Einführung der Koedukation. Die Abtrennung der Oberstufe und Umwandlung in eine kooperative Gesamtschule wird 1972 abgewendet. Dafür wird die Schule 1973 wieder ein städtisches Gymnasium.

Karikatur Mosaik Nr. 16, 1968

Die Eröffnung des Klassentrakts sowie einer zweiten Kleinturnhalle entspannen die Raumsituation, vor allem nachdem in den 1980er Jahren die Schülerzahlen zu sinken beginnen (Höchststand 1980: 998 Jungen und Mädchen) und 1996 auch noch ein neuer naturwissenschaftlicher Trakt eröffnet wird.

(Text: Dr. Florian Lueke, Fotos aus unserem Schularchiv)

Erste bisher bekannte Erwähnung: 1559 (Fundort: Staatsarchiv Marburg)

Erstes bekanntes Schulprogramm: 1559/60 (Fundort: Bibliothek Wolfenbüttel)

Bewegung mit Tradition – 175 Jahre Turnen, Spiel und Sportunterricht am heutigen Engelbert-Kaempfer Gymnasium Lemgo (1838-2013) von F. Lueke

Gebäude

Das Engelbert-Kaempfer-Gymnasium besteht baulich aus dem Lippehof, einer ehemals fürstlichen Residenz aus dem 18. Jahrhundert, dem Klassentrakt aus dem Jahr 1974, dem Neubau aus dem Jahr 1995.

Das zentrale Hauptgebäude wurde in den Jahren 2002/05 grundlegend saniert. Die Nebengebäude, das Vorwerk (renoviert 2000/01) und der Marstall (renoviert 2001/02), dienen jetzt als Fachräume für den Bereich Erdkunde, Geschichte, Sozialwissenschaften bzw. für Kunst und Musik sowie als Klassenräume. Im Hauptgebäude befinden sich die Verwaltungsräume, Bibliothek, Beratungsräume und eine Küche mit angegliederten Aufenthaltsräumen.

Der Neubau wurde von dem Architekturbüro Schürmann / München entworfen und greift in moderner Form die in der Stadt verbreitete Fachwerkbauweise auf. Er nimmt die naturwissenschaftlichen Fachräume, einige Klassenräume auf und findet seinen Abschluss in dem lichtdurchfluteten Forum der Schule.

Die unterschiedlichen Gebäude entstammen ganz verschiedenen Epochen, sie ergänzen sich aber zu einem lebendigen Ensemble, in dessen Mittelpunkt die ganzheitliche Erziehung und Bildung der Jugendlichen steht.